Der kleine Rechtsaußen-Verlag „Antaios“ war auf der Frankfurter Buchmesse medial über-präsent. Eine seiner Autorinnen irritiert derzeit auch das anthroposophische Umfeld.

Von: Jens Heisterkamp
Der Stand des Antaios-Verlags auf der Frankfurter Buchmesse ist unauffällig. Verlagsgründer Götz Kubitschek ist persönlich anwesend und seine Frau Ellen Kositza auch. Die jungen Männer am Stand tragen schwarze Hemden wie der Chef. Viele der Antaios-Autoren sind bereits tot: Armin Mohler oder Ernst Nolte beispielsweise und zuletzt Rolf Peter Sieferle haben hier Unterschlupf gefunden. Dessen Buchtitel „Finis Germania“ steht für vieles, was die Neo-Völkischen umtreibt: Angst vor dem Ende des ethnisch homogenen Nationalstaats, Hass auf das kulturell Vielfältige, kalter Spott gegenüber der liberalen Demokratie. Kubitschek und andere verstecken ihre anti-demokratischen Ansichten nicht, sind aber intelligent genug, sie in einer für die Verfassungsorgane gerade noch unangreifbaren Weise zu formulieren. Der Wut-Denker vom Rittergut in Schnellroda macht allerdings keinen Hehl daraus, dass er die parlamentarische Demokratie abschaffen will oder dass er die Gründung der AfD und ihren Gang ins Parlament für einen Fehler der „Bewegung“ hält, die er lieber als system-zerstörenden Faktor in Pegida-Manier dauerhaft auf der Straße sehen würde. Auch Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte wurden von ihm schon als Akte „zivilen Ungehorsams“ gelobt.
So schlimm das alles auch ist – eine Buchmesse mit zigtausend Ausstellern verkraftet durchaus vier Standmeter völkischer Phantasten. Die Frankfurter Messeleitung hatte sich ohnehin im Vorfeld inhaltlich klar distanziert, aber im Namen der Meinungsfreiheit den Verlag als Aussteller zugelassen. Und das ist auch gut so: denn nichts fördert die neuen Rechten mehr als Gelegenheiten, sich als unterdrückte Opfer zu inszenieren. Um anständiges Benehmen zu sichern, war Antaios von der Messeleitung in Halle 3 von Ständen der Amadeu Antonio Stiftung, der Bildungsstätte Anne Frank und von eher linksliberalen Verlagen flankiert worden. Die Sache wäre wohl ohne größere Beachtung geblieben, wenn nicht ein paar überpädagogische linke Aktivisten versucht hätten, am Buchmesse-Samstagabend eine Antaios-Buchpräsentation in Anwesenheit der AfD-Gallionsfigur Björn Höcke zum Platzen zu bringen. Die unvermeidlichen Rangeleien verschafften dem Rechtsaußen-Verlag eine völlig unproportionale mediale Aufmerksamkeit bis in die Abendnachrichten.
„An Soros verkauft“
Anlass für den Besuch Höckes war übrigens die Vorstellung des Buches „Mit Linken leben“. Dessen Co-Autorin Caroline Sommerfeld war als Mitarbeiterin an einer Waldorfschul-Küche jüngst aufgefallen, als sie einen an den österreichischen Waldorfschulen verbreiteten Aufruf gegen Rassismus nicht mittragen wollte. Sommerfeld gehört den sogenannten „Identitären“ an, die einen völkisch geprägten Kulturbegriff vertreten. Auf dem Blog des Antaios-Verlags tut sie dies auch öffentlich. Im Frühjahr hatte sie dort unter anderem einen Info3-Text über die neuen Rechten scharf kritisiert und behauptet: „Die Anthroposophen … haben Steiners Freiheitsbegriff mir nichts, dir nichts, an Clinton und Soros verraten und verkauft“. Wegen solcher und anderer Publikationen hatte sich die Waldorfschule übrigens von ihr getrennt.
Einen Rechtfertigungstext Sommerfelds veröffentlichte kürzlich das nur per PDF an Abonnenten versendete anthroposophische Medium „Ein Nachrichtenblatt“. Der „Erziehungskunst“-Mitarbeiter Lorenzo Ravagli stellte ihn ebenfalls auf seinen Blog und äußerte in einem „Goetheanum“-Artikel Verständnis für die Autorin. Nun bildet ironischerweise Sommerfeld selbst das beste Beispiel dafür, warum eine Erklärung, die Steiner gegen rechte Vereinnahmung schützen soll, äußerst sinnvoll ist, zumal der Rechtsruck in Österreich derzeit noch kräftig weitergeht.
Wie in der NS-Zeit?
„Ein Nachrichtenblatt“, in dem auch der Autor Peter Selg regelmäßig veröffentlicht, schürt übrigens seit geraumer Zeit auch mit anderen Texten „Umvolkungs“- und Flüchtlingsängste in rechtsextremer Lesart. Und der frühere „Goetheanum“-Chefredakteur und Sohn des GLS Bank-Gründers Martin Barkhoff scheute sich in einem Beitrag nicht, jüngst die geistige Lage in Deutschland als „Meinungsdiktatur“ mit der NS-Zeit auf eine Stufe zu stellen – nicht aber etwa wegen des derzeitigen Zulaufs der Neurechten, sondern wegen der liberalen Grundhaltung, die sich bei uns im Nachgang der 68er-Bewegung herausgebildet hat. Ein Zusammenschluss rechtslastiger Anthroposophen mit neo-völkischen Rechten ist also bereits im Gange. Claudius Weise, verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Die Drei“, hat sich kürzlich von dieser Gefahr klar distanziert und insbesondere auch die Doppelzüngigkeit von Sommerfelds Kampagne gegen angebliche „Denkverbote“ in überzeugend sachlicher Form offengelegt. „Was hier mit rhetorischen Sturmgeschützen und logischen Taschenspielereien als ‚freies Geistesleben’ verteidigt wird“, sei, so Weise „letzten Endes die Lizenz, keine Rücksicht auf die durch historische Erfahrungen gewachsene Sensibilität gegenüber Rassismus und Nationalismus zu nehmen“. Gerade wer Wert auf ein freies Denken legt, sollte den Unterschied zu jener kalten Intelligenz durchschauen können, die derzeit bis in die bürgerliche Mitte hinein Einzug hält.