#34c3: Warum die Ausweitung der polizeilichen DNA-Analyse auf äußere Merkmale problematisch ist
Die erweiterte DNA-Analyse hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Dabei bedient das Vorhaben rassistische Ressentiments, warnt Anna Müllner. In ihrem Vortrag beim 34. Chaos Communication Congress erklärt die Biologin die Grenzen und Probleme der erweiterten DNA-Analyse.
Netzpolitik.org · am 08.02.2018 Marie Bröckling
Bisher darf die Polizei in Deutschland DNA-Spuren nur in engem Umfang untersuchen, ein Gesetzesvorhaben will das nun ausweiten. CC-BY-SA 2.0 Victor Svensson
Die Landesregierungen von Baden-Württemberg (Grüne) und Bayern (CSU) wollen zukünftig in Strafverfahren DNA-Material umfassender untersuchen lassen. Eine entsprechende Formulierung hat es nun auch auf Bundesebene in den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und der SPD geschafft . Die promovierte Biologin Anna Müllner erklärte in ihrem Vortrag auf dem CCC-Kongress, was dahinter steckt und zeigt welche Gefahren diese Form der DNA-Analyse für Minderheiten birgt.
Bisher konnten mit der polizeilichen DNA-Analyse lediglich das chromosomale Geschlecht ermittelt werden und Abgliche mit anderen Datensätzen durchgeführt werden. Wenn nun von erweiterter DNA-Analyse die Rede ist, geht es um das Verfahren Forensic DNA Phenotyping (FDP). Mit diesem Verfahren lässt sich etwas zu Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie Alter der fraglichen Person sagen. Müllner betont, wie eingeschränkt und ungenau das Verfahren noch ist. Zum einen sei das Verhältnis von Genen zu tatsächlichem Aussehen nicht kausal, es korreliert lediglich. Manches ließe sich auch gar nicht sagen, da die gelebte Geschlechtsidentität einer Person sich nicht aus den X-Chromosomen ablesen lasse. Noch dazu können sich die erfassbaren Merkmale auch verändern, etwa ergraute oder gefärbte Haare.
Wahrscheinlichkeiten statt genauer Aussagen
Mit FDP lassen sich also lediglich einige wenige Merkmale erfassen, und diese auch nicht mit Sicherheit. Ob eine Person braune oder blaue Augen hat, kann nur als wahrscheinlich vorausgesagt werden. So könnten Ermittlungen bei einer Missdeutung der Wahrscheinlichkeiten auch völlig fehlgeleitet werden. Unvermeidbar sei laut Müllner die gleichzeitige Erfassung von Daten, die für polizeiliche Ermittlungen irrelevant sind und deren Erhebung nicht zugelassen ist, etwa das Risiko für bestimmte Erkrankungen.
Laut Müllner geht es bei der Forderung nach Ausweitung der DNA-Analyse nicht um die Nutzung einer verbesserten Technologie, denn dafür sei diese noch zu ungenau. Sie zitiert den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der zuletzt sagte : „[…] Forensiker [können] heute aus winzigen Spuren sehr präzise genetische Phantombilder erstellen, die unsere Polizisten jedoch nicht nutzen dürfen“. Ganz offenbar übertreibt der Innenpolitiker hier die Erwartungen, was mit der erweiterten DNA-Analyse möglich ist.
Minderheiten stärker im Fokus
Vielmehr sieht Müllner in der aktuellen Forderung nach dem Einsatz der Technologie eine rassistische Stimmungsmache seitens der Parteien. Nicht zufällig fällt der Gesetzentwurf von der bayrischen (CSU) und baden-württembergischen (Grünen) Landesregierung zum Einsatz von erweiterter DNA-Analyse mitten in eine fremdenfeindliche Debatte um Vorgehen gegen nicht-deutsche Straftäter nach einen Mordfall in Freiburg.
Müllner verweist auf die CSU, die noch eins drauf setzen und neben der Feststellung der Augen-, Haar- und Hautfarbe auch die Feststellung der „bio-geographischen Vorfahren“ anhand des DNA-Materials fordert. Müllner sieht darin den Versuch, den Begriff der „Ethnie“ zu umschiffen.
Problematisch sieht Müllner vor allem, dass die erweiterte DNA-Analyse tatsächlich ein Racial Profiling begünstigen könnte. Das Verfahren würde zwangsläufig Anwendung auf Minderheiten als Tatverdächtige finden, denn eine Einschränkung der Tatverdächtigen kann nur sinnvoll erfolgen, wenn eines der phänotypischen Merkmale nicht denen der Mehrheitsgesellschaft entspricht. Hier würden nun Menschen ins Blickfeld der ErmittlerInnen gezogen, die bisher keine Tatverdächtigen waren, allein aufgrund ihrer Haut- oder Haarfarbe. Dies widerspreche der allgemeinen Unschuldsvermutung. Darüber hinaus sieht Müllner die Gefahr der vermehrten rassistischen Hetze bei einer öffentlichen Fahndung nach Tatverdächtigen einer bestimmten Haut- oder Haarfarbe.
Große Koalition will erweiterte DNA-Analyse einführen
Die süddeutsche Forderung nach einer erweiterten DNA-Analyse ist einer fremdenfeindlichen Debatte entsprungen. Die Forderung wurde – mit Aussparung der Feststellung von „bio-geographischen Vorfahren“– nun in den Koalitionsvertrag von Union und SPD übernommen. Dabei gab es bisher kaum mediale Aufmerksamkeit für dieses Gesetzesvorhaben.
Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich: „Die DNA-Analyse wird im Strafverfahren auf äußerliche Merkmale (Haar, Augen, Hautfarbe) sowie Alter ausgeweitet (§ 81 e StPO).“
Mit der Aufnahme in den Koalitionsvertrag ist es wahrscheinlich, dass die erweiterte DNA-Analyse in Deutschland gesetzlich eingeführt wird. Müllner fordert in ihrem Vortrag strenge Datenschutzrichtlinien für die erweiterte DNA-Analyse. So mahnt sie zu einer vertraulichen Behandlung von TäterInnenprofilen und einer Sensibilisierung der ErmitlerInnen für die eigene Befangenheit und den Umgang mit Wahrscheinlichkeitsangaben. Nur so kann die Gefahr eines Generalverdachts gegen Minderheiten, entgegen der allgemeinen Unschuldsvermutung und das Potenzial zu rassistischer Hetze eingedämmt werden.
Das Video findet ihr auch auf media.ccc.de . Als Podcast steht der Vortrag im mp3 – oder opus -Format zur Verfügung.