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Franziska Meister / 30. Mai 2018 –
Lifestyle-Gentests boomen. Was bringen Analysen des menschlichen Erbguts? Welche ethisch und sozial heiklen Fragen stellen sich?
«Übergewicht muss nicht sein!», steht in fetten Lettern auf der Homepage der Firma Progenom. «Planen Sie Ihre Mahlzeiten nach Ihren Genen!» Zwischen sechzig und achtzig Prozent des Übergewichts seien genetisch bedingt, behauptet die Firma – und bietet eine ganze Palette an genetischen Analysen an, die helfen sollen, die individuell optimale Diät zu finden. Solche Lifestyle-Gentests boomen. Rund 400 verkauft Progenom jeden Monat allein in der Schweiz, vorwiegend über Apotheken. Mittlerweile bietet eine Vielzahl an Firmen Gentests im Internet an. Das Bundesgesetz über genetische Untersuchungen beim Menschen (GUMG), vor erst zehn Jahren in Kraft gesetzt, muss angesichts dieser Entwicklung bereits revidiert werden. Am 30. Mai berät der Ständerat über den neuen Vorschlag, der die Bevölkerung besser vor möglichem Missbrauch schützen soll.
Bereits im März hat die GUMG-Debatte im Nationalrat für hohe Wellen gesorgt. Sollten Lebensversicherungen Einsicht in genetische Untersuchungen erhalten? Die Mehrheit lehnte das ab, der Ständerat muss jetzt nur noch darüber bestimmen, ob eine Einsicht im Fall extrem hoher Versicherungssummen zulässig ist. Für Zündstoff dürfte dafür die Frage sorgen, ob Firmen wie Progenom auch öffentlich Werbung für ihre Lifestyle-Gentests machen dürfen, wie es die Revision vorsieht.
Im Kern rührt die Sorge um das Missbrauchspotenzial von Gentests an die Frage, wie seriös und aussagekräftig genetische Untersuchungen überhaupt sein können. Und diese Frage geht weit über Lifestyletests hinaus.
Die grosse Dateneuphorie
Auf dem Genom ist die gesamte Erbinformation gespeichert, sie umfasst beim Menschen rund 25 000 Gene. Seit 2003 gilt mit dem Erfolg des Human Genome Project das gesamte menschliche Erbgut als entschlüsselt – was seither eine unglaubliche Forschungseuphorie ausgelöst hat, die mit der technologischen Entwicklung und Digitalisierung weiter Auftrieb erhält. Stichwort: Big Data. «Je mehr Daten wir erzeugen und je mehr Wissen wir vernetzen können, desto schneller werden wir Wege finden, um mehr Krankheiten zu heilen», prophezeite ETH-Vizepräsident Detlef Günther vor wenigen Wochen anlässlich der Lancierung zweier grosser nationaler Initiativen im Bereich Medizin und Big Data, die der Bund bis 2020 mit 118 Millionen Franken finanziert. Im Fokus: genetische Daten.
Peter Meier-Abt, Vizepräsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften, setzt im Rahmen der Initiativen auf routinemässige Genomanalysen und hofft,