Propaganda-Weltmeisterschaft

Propaganda-Weltmeisterschaft

28-06-18 02:12:00,

Erst vor wenigen Tagen habe ich an dieser Stelle den geschätzten „Welt“-Redakteur Richard Herzinger ermahnt (1), in seinem heroischen und ohne jeden Zweifel berechtigten Kampf gegen das despotische Putin-Regime kühlen Kopf zu bewahren, also taktische Fehler zu vermeiden und nicht übers Ziel hinauszuschießen.

Es versteht sich von selbst, dass ich in meinen gut gemeinten Rat stillschweigend auch manch übereifrigen Kollegen Herzingers eingeschlossen habe. Ungestümes Vorpreschen, unkontrollierte Distanzschüsse, Stürmerfouls – das alles schadet der westlichen Sache und wird vom abgezockten Kreml-Kollektiv gnadenlos ausgenutzt.

Nehmen wir Julian Röpcke, Herzingers Mitstreiter bei Springers „Bild“. Am 26. Juni, während ich mit meiner Tochter und ihren Freunden einen turbulenten siebten Kindergeburtstag feierte, twitterte der stets übermotivierte Röpcke Folgendes:

„Wieder hat die Ukraine einen Informationskrieger des Kreml abgestraft. Wieder wird das Putin-Regime „Aber Meinungsfreiheit!“ brüllen. Wieder ist die ukrainische Entscheidung 100% richtig.“

Der Hintergrund: Die Ukraine hatte der RT-Korrespondentin Paula Slier (2) die Einreise verweigert. Die Informationskriegerin des Kreml wollte aus Kiew über eine OSZE-Medienkonferenz zum Thema Pressefreiheit berichten, durfte aber nicht. Röpcke findet das prima.

So weit, so gut. Selbstverständlich hat Röpcke vollkommen Recht, wenn er RT als Waffe im tobenden Informationskrieg wahrnimmt und sich weigert, die nicht enden wollenden Propaganda- und Desinformationskampagnen dieses Senders als „Journalismus“ durchgehen zu lassen. Insofern liegen alle Vorwürfe, Röpcke wolle die Meinungs- oder Medienfreiheit knebeln, weit neben der Sache. Darauf brauchen wir nicht näher einzugehen.

Doch aufgepasst! Röpcke ist nicht gerade für technische Feinheiten oder sonderlichen Spielwitz bekannt. Er schießt bedenkenlos aus jeder Lage, hält einfach mal drauf. Immer nach dem Motto: „Vielleicht geht das Ding ja rein!“

Was im Fußball aller Ehren wert ist und von den Fernsehkommentatoren in der Regel mit einem anerkennenden „Warum nicht!?“ belobigt wird, ist jedoch im Journalismus eine zweischneidige Sache.

So hat Röpcke seine Attacke auf die Informationskriegerin Paula Slier geritten, ohne zu erwägen – und vermutlich auch ohne zu wissen –, dass sie Jüdin ist. Slier zählt Israel sogar zu ihren „Lieblingsländern“. Ja, sie berichtet von dort! Immerhin leitet sie das Mittelost-Büro ihres Senders.

So schwer mir dieses Eingeständnis fällt: Ich kann auch bei schlechtestem Willen in der Israel-Berichterstattung Paula Sliers keine tiefgreifenden Unterschiede etwa zur Arbeit der ARD-Korrespondentin Susanne Glass erkennen. Ich glaube, ehrlich gesagt, auch nicht,

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