30-06-18 12:21:00,
Die Unabhängigkeit des Journalismus
von Jonathan Cook
Seit mehreren Jahren schreibe ich nun regelmäßig auf meinem Blog und habe dabei ein bestimmtes Ziel im Auge: Ich möchte dabei helfen, den Lesern eine Tür zu öffnen und sie dazu zu ermuntern, durch diese Tür zu gehen. Ich wähle Themen aus – für gewöhnlich jene, die die westliche Berichterstattung dominieren und einen Konsens darstellen, den wir das Große Westliche Narrativ nennen könnten – und versuche zu zeigen, dass dieses Narrativ nicht zum Zwecke der Information und Aufklärung, sondern zur Tarnung und Täuschung konstruiert wurde.
Ich und viele andere Blogger, die das Gleiche tun, sind sicher nicht schlauer als alle anderen. Wir hatten lediglich – früher im Leben – die Chance, selbst durch diese Tür zu treten und zwar aufgrund einer aufrüttelnden Lebenserfahrung, die das Große Westliche Narrativ nicht erklären konnte, oder weil jemand die Tür für uns aufhielt, zumeist aber wegen einer Kombination aus beidem.
Es fällt mir leicht, meinen eigenen Prozess des Erwachens auszumachen. Er begann mit meinem Umzug nach Nazareth, wo ich in ein anderes Narrativ eintauchte, nämlich das der Palästinenser. Damals stand ich zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Journalist einer undurchdringlichen Mauer des Widerstandes gegenüber, sogar seitens meiner eigenen damaligen Zeitung, dem Guardian, als ich versuchte, dieses Gegennarrativ zu erklären. Ich bemerkte sogar, dass das palästinensische Narrativ stets als Antisemitismus entstellt wurde. Dies waren düstere Jahre der Desillusionierung und des Verlustes eines professionellen und ideologischen Kompasses.
In einem solchen Augenblick des Verlustes, in dem einem der Trost des Großen Westlichen Narrativs entzogen wurde, sucht man nach einer Tür zur Aufklärung. Es kann ein weiter Weg sein, sie zu finden. Meine Tür erschien, als ich über das Propagandamodell von Ed Herman und Noam Chomsky in ihrem Buch ‚Manufacturing Consent‘ las und über eine Website namens ‚Media Lens‘ stolperte. Beides half mir zu verstehen, dass das Problem der Narrative nicht auf Israel-Palästina beschränkt war, sondern dass es sich dabei um ein viel Allgemeineres handelte.
Tatsächlich wurde das Große Westliche Narrativ über Jahrhunderte entwickelt und verfeinert, um die Privilegien einer winzigen Elite zu erhalten und ihre Macht auszubauen. Journalisten wie ich hatten dabei die Rolle, den Lesern diese Illusionen einzuflößen, damit sie ängstlich, passiv und ehrfürchtig dieser Elite gegenüber blieben. Nun lügen Journalisten nicht – jedenfalls die meisten von ihnen nicht – sie sind nur genauso eng mit dem Großen Westlichen Narrativ verbunden wie alle anderen.