Die Hysterisierung der deutschen Öffentlichkeit

Die Hysterisierung der deutschen Öffentlichkeit

12-08-18 07:11:00,

Hysterischer Anfall eines Mannes. Vermutlich Toulouse, 1859-1910. Foto: Fonds Trutat – Photographie ancienne / no restrictions / Musée du Vieux Toulouse– domaine public

  1. Die Hysterisierung der deutschen Öffentlichkeit

  2. Der “angsteinflößende Fremde”


  3. Auf einer Seite lesen

Gefährder – Marginalie zum öffentlichen Sprachverfall

Ich hab Angst, und Du hast Angst, große Angst und kleine Angst, meine Angst und Deine Angst…

Liedertext, aufgezeichnet auf einem Evangelischen Kirchentag

Nunmehr wird der Maschinengewehreinsatz gegen eine Menschenmenge gesetzlich verboten.

Aus dem Entwurf zum neuen bayerischen Polizeiaufgabengesetz

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

Ludwig Wittgenstein

Begriffsrecherche in einem sehr guten, nicht-öffentlichen Pressearchiv: Zwischen 1980 und dem 31.12.2000 taucht der Begriff “Gefährder” überhaupt nur zwölf Mal auf, zum ersten Mal im Herbst 1990 und auch in den nächsten Jahren ausschließlich in Zitaten aus Polizeikreisen und Papieren des Staatsschutz.

Im Mai 2000 findet er sich dann in der “Süddeutschen Zeitung” in einem Artikel über Fußball-Hooligans. Genau gesagt kommt das Wort auch darin nicht vor, sondern es ist dort von “Gefährder-Ansprachen” die Rede, und auch das nur in einem Zitat des damaligen Sprechers des Landeskriminalamts von NRW, Fredrick Holtkamp, der Hardcore-Fußball-Fans nach dem Grad ihrer Gewaltbereitschaft kategorisiert.

Daraus folgt eine erste wesentliche Feststellung: “Gefährder” ist Polizei-Jargon. Die deutschen Medien, die einst zu Recht stolz darauf waren, Staatsferne – nicht “-feinschaft”, aber skeptische Distanz zu den jeweils Mächtigen zu kultivieren, schreiben heute gern im Jargon eines Polizei-Handbuchs.

“Gefährder” sind keine Straftäter

Dann geht es los: In den Jahren 2002 und 2003 taucht der Begriff im gleichen Archiv bereits 42 Mal auf, 2004-2005 fast verfünffacht: 198 Mal. 2003 schreibt die Süddeutsche das Wort noch in Anführungszeichen, um Distanz zu markieren, da geht es aber bereits um Islamisten. Später nicht mehr. 2006-2007 steigt die Verwendung weiter stark an (324), zugleich verflacht der Anstieg. Danach geht der Wortgebrauch sogar zurück (2008-2009 = 214 Mal, 2010-2011 = 222 Mal), um bis Ende 2013 (2012-2013 = 124 Mal) unter dem Niveau von 2005 zu liegen.

Danach steigt dann die “Gefährder”-Fieberkurve monatlich immer stärker an: 2014 bis 2015 wird das Wort 585 Mal verwendet,

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