30-08-18 11:16:00,
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel bezieht sich auf die rechtliche und ökonomische Situation in der Schweiz, dem Heimatland des Autors. Die angesprochenen Probleme sind jedoch universell und betreffen Deutschland und Österreich ebenso.
Es ist nicht leicht, angesichts der aktuellen demografischen Zahlen zuversichtlich zu bleiben. Die Kombination von Geburtenrückgang und Lebensverlängerung produziert ein historisch einmaliges Verhältnis zwischen Leistungserbringern im Erwerbsalter und Leistungsempfängern nach der Pensionierung.
Zudem haben wir nicht mehr drei, sondern vier Generationen mit wechselseitigen Abhän-gigkeiten: Kinder und Jugendliche, Erwerbstätige, Jungrentner und Hochbetagte.
Bei der Einführung der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in der Schweiz im Jahr 1948 kamen auf einen Rentner 6,3 Personen im Erwerbsalter, heute sind es ungefähr drei, 2030 werden es noch zwei sein (1). Die Verschiebung ist in erster Linie der größeren Lebenserwartung geschuldet. 1950 konnte ein 65-jähriger Mensch in der Schweiz mit weiteren 13,5 Jahren rechnen, heute sind es 23 (2). Doch selbst wenn wir nicht mehr älter werden sollten, wird sich der Trend noch verschärfen, weil jetzt die Babyboomer in Rente gehen.
Um am bisherigen Rentenalter festhalten und die versprochenen Leistungen bezahlen zu können, bräuchten wir nach Berechnungen der Denkfabrik Avenir Suisse in den nächsten zwanzig Jahren eine Netto-Immigration von 135 .000 Personen jährlich (3). 2,7 Millionen Ausländer, das dürfte nicht nur der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu viel sein, sondern auch den räumlichen Ressourcen.
Das Problem besteht nicht nur aus weniger Beitragszahlern, sondern auch aus höheren Pflegekosten. 1995 waren 38. 000 Menschen 90 oder mehr Jahre alt, heute sind es fast doppelt so viele. Entsprechend haben sich die Kosten für die Langzeitpflege gemäß offizieller Statistik von 4,9 Milliarden im Jahr 1995 auf 10,9 Milliarden Franken in 2012 verdoppelt. 60 Prozent dieser Kosten trägt die Allgemeinheit. Sparen fürs Alter wird nämlich bestraft. Wer beim Eintritt ins Pflegeheim noch Vermögen hat, muss die Kosten selber bezahlen; wer es verbraucht hat, wird über die Ergänzungsleistungen der AHV finanziert.
Um das Verhältnis von Beitragszahlern und Empfängern bei der AHV wieder ins Lot zu bringen, müsste das Rentenalter um drei Jahre erhöht werden, wie Martin Eling, Professor für Versicherungswirtschaft der Hochschule St. Gallen, ausgerechnet hat. Weil das politisch nicht durchsetzbar ist, häuft die AHV Defizite an. 2030 werden die Schulden der AHV gemäß Eling bei 110 Milliarden Franken liegen, so viel wie die gesamten Schulden der Eidgenossenschaft heute.