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19. September 2018 um 8:48 Uhr | Verantwortlich: Redaktion
Ein mächtiger ideologischer Kampfbegriff, mit dem jede öffentliche Diskussion über den Palästinakonflikt zur Tabuzone erklärt werden kann
Veröffentlicht in: Antisemitismus, Kampagnen / Tarnworte / Neusprech, Rezensionen
Es gibt wohl kaum ein Thema, über das vor allem in Deutschland mit so unbändiger Härte debattiert wird, wie über das Thema „Antisemitismus“. Der israelische Soziologe Moshe Zuckermann gehört zu den profundesten Kritikern des Missbrauchs des Antisemitismus-Begriffs zum Zwecke der Unterdrückung von Kritik an der Politik des Staates Israel. Im Westend Verlag erscheint in diesen Tagen Zuckermanns jüngstes Buch mit dem vielsagenden Titel „Der allgegenwärtige Antisemit oder die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit“. Norman Paech hat sich Zuckermanns Buch für die NachDenkSeiten einmal näher angeschaut.
Es steht wissenschaftlich inzwischen außer Frage, dass ein Anstieg des Antisemitismus in Deutschland nicht nachweisbar ist, dass es keinen neuen Antisemitismus gibt, dass es sich vielmehr– schlimm genug – um den alten Antisemitismus, den Bodensatz in der Gesellschaft handelt. Der gefühlte Antisemitismus allerdings will davon nichts wissen. Neu jedoch ist eine Antisemitismus-Hysterie, die in jeder – in der Tat nicht zu duldenden – Beschimpfung oder Attacke jüdischer Bürger, aber auch der Kritik an der israelischen Politik und ihrer zionistischen Ideologie oder Sympathie für die internationale Boykottkampagne BDS ein Aufflammen neuen oder auch importierten Antisemitismus ortet. Denn, so die Begründung für den neuen Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung: „Antisemitismus … nimmt mit dem Antizionismus und der Israelfeindlichkeit auch neue Formen ein.“ Wer allerdings Juden, den Zionismus und Israel zugleich unter das Schutzdach des Antisemitismusvorwurfs stellt, nimmt dem Begriff des Antisemitismus jede Präzision und schafft sich damit aber einen mächtigen ideologischen Kampfbegriff, mit dem jede öffentliche Diskussion über den Palästinakonflikt zur Tabuzone erklärt werden kann und der kein Raum gegeben werden darf. Allein 2017 wurden insgesamt 71 Veranstaltungen zum Thema versucht zu verhindern. Aus dem gefühlten Anstieg des Antisemitismus wird der reale Anstieg immer militanter agierender Verteidiger Israels mit seiner brutalen Besatzungspolitik und der Diffamierung ihrer Kritiker.
Moshe Zuckermann hat diesen prekären Diskurs seit Jahren verfolgt und schon 2010 unter dem Titel „Antisemit! Ein Vorwurf als Herrschaftsinstrument“ einer umfassenden und scharf sezierenden Analyse unterzogen. Wenn er sich nun wieder aus Tel Aviv zu Wort meldet,