Die Ichlinge kommen

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16-11-18 01:49:00,

Die Gesellschaft befindet sich auf dem Weg in die Egomanie, zu dieser Einschätzung kommt zumindest Heike Leitschuh in ihrem neuen, im Westend Verlag erschienenen Buch „Ich zuerst! Eine Gesellschaft auf dem Egotrip.“

Sie stützt diese These mit Beobachtungen menschlichen Verhaltens in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Raums. Sei es in der Bahn, in der Menschen den Schaffner nicht einmal mehr freundlich grüßen oder auf ihrem Handy laut Musik abspielen, sei es im Krankenhaus, dessen Notfallambulanz zunehmend Menschen mit unbedeutenden Beschwerden überbeanspruchen, oder sei es im Straßenverkehr, in dem Autofahrer sich nicht nur rücksichtslos verhalten, sondern bei einem Unfall auch gerne einmal aussteigen, um Fotos und Videos von den Opfern machen zu können, die sie dann später ins Netz stellen. Dabei bedrängen sie nicht selten die professionellen Helfer und behindern sie in ihrer Arbeit, greifen sie sogar tätlich an, wenn diese sie beiseiteschieben wollen.

Überall scheint die Einstellung vorzuherrschen, alle anderen müssten sich den eigenen Bedürfnissen unterordnen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die sozialen Medien, in denen die Selbstdarstellung zu einer Kunst erhoben wird. Hier tritt der Egoist im Menschen erst richtig zutage, kreiert eine Blase, die sich einzig um die eigene Person dreht, und blendet dabei die Bedürfnisse anderer Menschen vollkommen aus. Hier präsentiert sich jeder so, wie er gerne wäre, anstatt sich zu zeigen wie er ist. Der Umgang mit Fehlern und Schwächen, eigener sowie anderer, wird so verlernt. Das Netz, so Heike Leitschuh überspitzt, macht einsam und asozial.

Den Trend zur Selbstdarstellung unterstützen auch die Medien, die in einschlägigen Sendungen wie „Germanys Next Topmodel“ Menschen eine Bühne geben, die versuchen, aus ihrer Selbstdarstellung Kapital zu schlagen. Dabei beweist stets mindestens einen Gewinner, dass es möglich ist, auf diese Weise sein Ziel zu erreichen.

Als Ursache für den zunehmenden Egoismus macht Heike Leitschuh die neoliberale Ideologie aus. Diese betreibt unter dem Mantra der Selbstoptimierung und der Eigenverantwortung seit 30 Jahren einen schonungslosen Abbau sozialer Sicherungen, wirft dabei die Menschen auf ihre eigenen Fähigkeiten und Kräfte zurück und schwächt gleichzeitig jede Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eine rein wirtschaftliche Ideologie frisst sich auf diese Weise tief in die Menschen hinein.

Denn wenn die Menschen zunehmend sich selbst überlassen werden – von ständiger Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg bedroht – um ihre Existenz kämpfen müssen, dann nehmen ihre Kapazitäten ab,

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