Journalismus: Über sozial beschnittene Medien

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17-02-20 05:53:00,

Christian Lindner, ehemals Chefredakteur bei der Rhein-Zeitung, hat in einem bemerkenswerten Beitrag ein Plädoyer für mehr soziale Vielfalt in den Redaktionen gehalten. Seinen Ausführungen, nicht nur „glatt Durchstudierte“ einzustellen, sondern auch Bewerbern mit Brüchen in den Lebensläufen, Arbeiterkindern und Migranten eine Chance zu geben, kann man nur beipflichten. Sozial beschnittene Medien bringen über kurz oder lang einen Journalismus hervor, der einseitig und unausgewogen ist. Solch ein Journalismus ist Gift für ein demokratisches Gefüge, aber auch für die Medien selbst. Von Marcus Klöckner.

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Medienkritik ist in aller Munde. Journalisten stehen seit Jahren unter Dauerbeschuss. Teile des Publikums toben. Die Kritik ist klar: Medien berichten gerade bei den großen gesellschaftlichen und politischen Themen zu einseitig, Meinungen und Analysen, die von den „Wahrheiten“ der großen Medien abweichen, werden marginalisiert oder ignoriert. Dass unser Mediensystem mit Meinungs- und Analysevielfalt ein großes Problem hat, ist offensichtlich. Allein bereits die Beobachtung der großen politischen Talkshows zeigt, dass unterschiedliche Standpunkte sich meistens nur innerhalb eines sehr eng begrenzten Meinungsspektrums bewegen. Und so sieht es auch in der Berichterstattung der „Mainstreammedien“ aus. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte vor einiger Zeit: „Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen.“

Doch woran liegt das? Was sind die Gründe? An den Fragen scheiden sich die Geister. Manche glauben, die Uniformität in der Berichterstattung liege daran, dass eine starke steuernde Hand Medien und Journalisten unter Kontrolle hält. Doch auch wenn man berücksichtigt, dass es natürlich machtelitäre Einflüsse (man beachte die in diesem SZ-Artikel angeführte Anekdote zum Treffen von hochrangigen Medienvertretern und Politikern im Kanzleramt) gibt, dass Herrschende ein Interesse an Meinungsmache haben und versuchen, Berichterstattung zu kontrollieren, zu lenken: Der Zustand unseres Mediensystems lässt sich nicht durch eine „geheimnisvolle Macht“ im Hintergrund erklären. Die dauerhafte Einförmigkeit in der Berichterstattung kommt nicht von außen, sondern von innen, das heißt aus dem journalistischen Feld selbst.

Bereits 2006 machte der Journalismusforscher Siegfried Weischenberg in seiner grundlegenden Studie über die sozialen Hintergründe von Journalisten darauf aufmerksam, dass Medien im Hinblick auf ihre soziale Zusammensetzung kein „Spiegel der Bevölkerung“ sind.

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