18-02-20 11:15:00,
Elisa Gratias: Ich habe dich bei NuoViso in dem Interview „Der Büffelflüsterer“ gesehen und sofort beschlossen, dich in deinem derzeitigen Zuhause, der Region Transkarpatien in der Westukraine, zu besuchen. Nun sitzen wir tatsächlich mitten im Wald, wo du zurzeit mit deiner Freundin Rike, den von dir gezüchteten Büffeln und einem alten ukrainischen Schäfer wohnst. Wie fühlt sich dieses Leben an?
Michel Jacobi: Das Leben in den Waldkarpaten entspricht meinen Fähigkeiten und Bedürfnissen am ehesten, da ich hier meine Potenziale ausschöpfen kann. Deshalb bin ich glücklich und selbstbewusst, aber noch lange nicht zufrieden. Die Aufgaben nehmen jeden Tag in ihrer Anzahl zu und werden anspruchsvoller.
Momentan sitzen wir hier in einem Eichen-Linden-Hutewald, einer englischen Parklandschaft gleichend, den ich dank der Ruthenen mit sehr vielseitigen, bereits äußerst selten gewordenen Nutztierrassen bewirtschaften darf. So kann ich momentan die Früchte meiner Arbeit genießen, von den Tieren lernen und jeden Tag wieder versuchen, diese Kultur zu bewahren. Das macht mich glücklich. Ohne mich allzu sehr verbiegen zu müssen, scheine ich den Menschen hier ein Vorbild zu sein, dabei nutze ich meine Bekanntheit und verbreite meine Ideale von Frieden, Liebe und vom Weg zurück zur Natur.
Dabei bin ich jedoch noch nicht so erfolgreich und stoße an meine Grenzen, gehe über diese hinaus und werde dann von meiner Umwelt, den Tieren oder den Menschen eines Besseren belehrt. Somit wird meine Naivität und kindliche Vorstellung vom idealen Leben durch die Bedingungen vor Ort geschliffen. Dabei lerne ich aus meinen Fehlern und liebe Herausforderungen: Dazu gehören die ökonomischen Interessen der Bevölkerung, die patriarchale, gewaltbereite Männerkultur und die generelle Skepsis gegenüber Fremden.
Nun wende ich mich, wie mein Vorbild Zarathustra, an die Öffentlichkeit, nicht, weil ich dem Leben überdrüssig bin, sondern eher aus den gleichen Motiven wie die Kogi-Indianer in Kolumbien, die erkannt haben, dass kleine Gemeinschaften alleine nicht mehr die Erde heilen können, wenn der Neoliberalismus mit seiner extraktivistischen Ökonomie fortfährt. Traurig macht mich, wenn ich sehe, wie das kleine Volk der Ruthenen, auf die ich mich hier beziehe, verwässert, ja sogar missbraucht und traumatisiert wird. Traditionen geraten in Vergessenheit, werden letztlich durch Geldhandel, Konsum und Benzinmotoren verspottet, das Vieh wird in modernen Schlachthöfen zerlegt und die Ruthenen selbst im Zivilisationsmüll erstickt.