Graue Herren chancenlos!

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22-02-20 12:16:00,

Was für ein Theater, weil in der Verfilmung von Tolkiens „Der Hobbit“ ein Drache animiert wurde! In „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, Dennis Gansels Realverfilmung des Kinderbuchklassikers, kommen Dutzende dieser Kreaturen vor. Und — was nicht jeder Fantasy-Film von sich behaupten kann — ein veritabler Halbdrache. Für mich selbst war Jim Knopf prägend. Nicht die Fernsehproduktion der „Augsburger Puppenkiste“ mit ihren ungelenken Marionetten und dem Plastikfolien-Meer. Nicht der Superhit „Eine Insel mit zwei Bergen“ — nein, die Bücher selbst, die mich als Kind in eine faszinierende Welt entführten.

„Ich setzte mich also an meine Schreibmaschine und schrieb: ‚Das Land, in dem Lukas der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein.’ Das war der erste Satz, und ich hatte nicht die geringste Vorstellung, wie der zweite heißen würde. Ich hatte keinerlei Plan zu einer Geschichte und keine Idee.“

So beschrieb Michael Ende den Beginn seiner Arbeit am Buch. Lummerland war der Kindheitsmikrokosmos von so vielen — bis heute. Ende der 50er-Jahre entwickelte Ende die Idee zu seinem ersten Roman. Er war damals Filmkritiker für den Bayerischen Rundfunk und — nicht uninteressant im Hinblick auf den subversiven Humor seiner Werke — Texter für ein politisches Kabarett. Denkt man etwa an das System der „Bonzen“ im stark verfremdeten „China“ des Jim-Knopf-Universums, ein bürokratisches System, in dem es einen Menschen ohne Ausweis „gar nicht gibt“, so ist das beste Satire.

Das wichtigste politische Statement aber war die Hauptfigur selbst. Ein Leser von „Jim Knopf“ wird für jede Abneigung gegen Menschen anderer Hautfarbe nach der Lektüre schlicht kein Verständnis mehr aufbringen. Der Scheinriese „Herr Tur Tur“ — auch ein Diskriminierter und Ausgegrenzter, der in die Wüste fliehen muss, weil er alle Menschen durch seine (scheinbare) Größe erschreckt — ist ein weiterer prägender Held der Geschichte.

Hab keine Angst vor dem Fremden, will seine Geschichte sagen. Je näher er dir kommt, desto mehr schwindet die Angst.

Und als Lukas seinem Schützling Jim erklärt: „Weißt du, in manchen Ländern mögen Leute einen Jungen nicht, nur weil er schwarz ist“, kann der Titelheld nur ungläubig staunen.

Diese engagierte Haltung kam nicht von ungefähr. Vor einigen Jahren veröffentlichte die Journalistin Julia Voss eine innovative Deutung des Romans, die den „Märchenonkel“ Ende in einem ernsthafteren Licht erscheinen ließ. Demnach sei „Jim Knopf“ ein Gegenentwurf zur Rassenideologie der Nazis.

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