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Die Apologeten des „Great Reset“ setzen auf modernste Technik, um die existenzielle Krise des globalen Kapitalismus zu überwinden. Doch dieses Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt, denn es basiert auf einem naiven, unterkomplexen Technikbegriff. Der vorliegende Beitrag entwickelt ein alternatives Verständnis moderner Technik und erläutert, warum diese nicht als Rettungsanker taugt, sondern eher als Brandbeschleuniger wirkt. Im Zentrum der Argumentation steht das Konzept eines global ausgreifenden technischen Systems.
ULRICH TEUSCH, 15. Januar 2021, 0 Kommentare
Teil 1 des Artikels ist hier zu lesen.
Auch mit dem, was man landläufig unter „Technikdeterminismus“ versteht, hat die Vorstellung eines technischen Systems nichts zu tun. Der Begriff Technikdeterminismus leistet dem Eindruck Vorschub, die Technik sei ein von vermeintlich technikfreien gesellschaftlichen Sphären eindeutig abgrenzbarer Faktor der sozialen Entwicklung, ein Subsystem der Gesellschaft, das auf andere, nicht-technische Bereiche oder Subsysteme determinierende Wirkungen ausübe.
Weit angemessener ist demgegenüber das von dem Philosophen Gernot Böhme vorgeschlagene Bild einer „Technostruktur“, die „den gesellschaftlichen Körper wie ein Pilz [durchzieht]“. Worin sich das Konzept einer Technostruktur von einem deterministischen Erklärungsansatz unterscheidet, hat Böhme wie folgt erklärt:
„[Die Technik] ist in die Sozialstruktur eingedrungen, in die Formen sozialen Handelns, in die normativen Erwartungen, oder besser, sie ist selbst eine Sozialstruktur, eine Form gesellschaftlichen Handelns und ein Bestandteil des Regelkanons geworden. Es geht (…) nicht mehr um Technik als Ursache oder Technik als Gegenstand, sondern es geht um die technischen Formen von Gesellschaftlichkeit, oder besser gesagt um die Erkenntnis der fortschreitenden Technisierung gesellschaftlicher Wirklichkeit und der damit verbundenen Probleme.“
Und weiter:
„Das Thema einer Theorie der Gesellschaft in der technischen Zivilisation ist (…) nicht so sehr die Technik in der Gesellschaft und der ihr entsprechende gesellschaftliche Wandel, sondern die Technisierung der Gesellschaft. Die Produktion von Technik gehört zur gesellschaftlichen Reproduktion: Mit der Technik produzieren wir gesellschaftliche Strukturen.“
Die Folge: Es entstehen manifeste Sachzwänge und Denkzwänge; die einen sind von den anderen nicht zu trennen. Subjekt und Objekt, Mensch und Technik stehen sich nicht länger in einem Verhältnis von Herr und Knecht oder von Zweck und Mittel gegenüber, sondern sind zu einer neuen Einheit verschmolzen. Die Technik erscheint als autonomes Gebilde, und zwar nicht deshalb, weil sie schon von jeher autonom gewesen wäre, sondern weil der Mensch seine Autonomie verloren oder verspielt hat.