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Hanspeter Guggenbühl / 09. Jun 2020 –
Weniger Klimagase, weniger Bürokratie, mehr Belohnung: Eine konsequente CO2-Lenkungsabgabe könnte drei Ziele aufs Mal erfüllen.
«Ja sagen und mit den Zähnen knirschen». Diese Position zur Revision des CO2-Gesetzes, über die der Nationalrat diese Woche beraten wird, vertritt Redaktorin Bettina Dyttrich in der linken Wochenzeitung WOZ. Damit hat sie aus realpolitischer Sicht wohl Recht. Denn das umfangreiche, komplizierte und bürokratische Gesetz bringt gegenüber dem heutigen Stand tatsächlich einige strengere klimapolitische Regulierungen. Aber seine Mittel bleiben weit hinter dem zurück, was das globale Klimaabkommen von Paris und das nationale Ziel des Bundesrats verlangen, nämlich «netto null CO2» ab dem Jahr 2050.
Statt nur mit den Zähnen zu knirschen, zeigt und rechnet Infosperber hier vor, wie die Schweiz ein zentrales Instrument in diesem Gesetz, die CO2-Abgabe, konsequent umsetzen könnte. Und welche umwelt-, sozial- und staatspolitischen Vorteile diese – immer noch bescheidene – Lenkungsabgabe hätte. Oder: Welche Chance der Nationalrat bei der Bereinigung des «realpolitisch» vorgespurten CO2-Gesetzes diese Woche verpassen wird.
CO2-Abgabe heute: Ein Zwitter mit Löchern
Beginnen wir beim heutigen Stand. Die Schweiz erhebt seit 2010 eine CO2-Abgabe, aber nur auf jener fossilen Energie (Heizöl und Erdgas), die als Brennstoff genutzt wird. Fossile Treibstoffe (Benzin, Diesel, Flugpetrol) und weitere Treibhausgase sind von dieser Abgabe befreit. Zudem ist die Brennstoff-Abgabe ein Zwitter aus Förderung und Lenkung: Rund ein Drittel des Ertrags zweigt der Bund ab, um energetische Gebäudesanierungen und andere Technologien zur Reduktion der CO2-Emissionen zu subventionieren. Der Rest des Ertrags wird pro Kopf und pro Arbeitsplatz an die Bevölkerung und Wirtschaft zurück verteilt nach dem Prinzip: Wer weniger CO2 aus Brennstoffen verursacht als der Durchschnitt, muss weniger bezahlen, als ihm zurückerstattet wird.
Damit kommen wir zur Rechnung, Stand 2018 (Hinweis: Die vielen Zahlen, die hier folgen, fassen wir weiter unten in einer Vergleichs-Tabelle nochmals übersichtlich zusammen): Die Brennstoff-Abgabe belastet eine Tonne CO2 heute mit 96 Franken; das entspricht einem Aufschlag von 52 Rappen pro Liter Heizöl. Im Jahr 2018 verursachte die Verheizung dieser Brennstoffe eine Emissionsmenge von 16,8 Millionen Tonnen. Multipliziert mit 96 Franken resultierte daraus theoretisch eine Verteuerung respektive ein Ertrag von 1613 Millionen Franken pro Jahr. Doch das Gesetz sieht Ausnahmen insbesondere für energieintensive Betriebe vor. Rund zehn Prozent der CO2-Emissionen aus Brennstoffen werden darum von der Abgabe befreit.