16-07-19 11:03:00,
Daniel Moßbrucker begleitet für Reporter ohne Grenzen die Reform der EU-Dual-Use-Verordnung. Die Nichtregierungsorganisation setzt sich weltweit für den Schutz von Journalist:innen ein und kämpft online wie offline gegen Zensur.
Ende Mai appellierte der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit, David Kaye, an die internationale Staatengemeinschaft und forderte ein Moratorium für den Verkauf von Spähtechnologie. Auf der ganzen Welt werden Journalist:innen, Aktivist:innen und Oppositionelle mit modernster Technologie überwacht. Der Handel floriert – aber eine globale Regulierung gibt es allenfalls in Ansätzen.
Mit denselben Argumenten hatte die EU-Kommission bereits 2016 einen Reformvorschlag vorgelegt. Es geht um Hacking-Software, Datenzentren zur Vorratsdatenspeicherung, IMSI-Catcher zur Überwachung von Demonstrationen oder Equipment zur Telekommunikationsüberwachung.
Über zwei Jahre hatten die EU-Staaten über die Pläne der Kommission gestritten, ehe sie eine Woche nach der Forderung des UNO-Experten ihren Kompromiss präsentierten. Sie lehnen alle Pläne ab, die stärkere Kontrollen von Überwachungstechnologie ermöglichen würden.
Im Beschluss steht nun überall „gelöscht“, wo die Kommission die Regulierung im sogenannten Cyber-Cluster der Dual Use-Verordnung neu regeln wollte. Das „Cyber-Cluster“ beschreibt eine Reihe an Maßnahmen, mit denen die Kommission menschenrechtlich fragwürdige Exporte von Überwachungsfirmen begrenzen möchte. Sämtliche Vorschläge aus diesem Cluster haben die EU-Staaten nun abgelehnt.
Die Abstimmungen im Rat sind stets geheim, aber aus Regierungskreisen ist zu hören, dass das Votum der EU-Staaten einstimmig war – auch Deutschland hat zugestimmt.
Keine Mehrheit, keine Menschenrechte
Bei Abgeordneten im Europäischen Parlament herrscht teilweise Fassungslosigkeit über diese Einigung, die eigentlich keine ist. Dem Vernehmen nach sind die EU-Staaten tief zerstritten in einigen Details, einzelne Lager blockierten sich jahrelang gegenseitig.
Am Ende beschlossen sie, das Cyber-Cluster ganz fallen zu lassen, dafür aber einige Industrieforderungen umzusetzen, zum Beispiel weniger Bürokratie beim Export von Dual-Use-Gütern. Der Abgeordnete Klaus Buchner sitzt für die kleine Ökologisch-Demokratische Partei ÖDP im Europaparlament und leitet die Verhandlungen des Parlaments mit der Kommission. Er kommentiert enttäuscht:
Wir haben zwei Jahre auf die Mitgliedstaaten gewartet, damit sie am Ende keine Lösung vorschlagen. Es ist völlig verantwortungslos, dass keine der von der Kommission oder uns im Europäischen Parlament vorgeschlagenen Maßnahmen zur Regulierung des Handels mit Überwachungstechnologie übernommen wurde.